Text Thomas Putze

Der aufsehenerregende Rückbau eines Parkplatzes vor der Städtischen Galerie in Schwenningen im Jahr 2002, der skurrile Auftritt als Ritter-Rost im Trossinger Hohner-Areal vor fünf Jahren, die schrillen Gärtner-Aktionen mit Sägegitarre und Bassspaten auf der Landesgartenschau und die für nächsten Samstag geplante groteske Traktorfahrt auf dem Kunstdünger in Rottweil-Hausen: das sind einige Beispiele der Aufführungen des Stuttgarter Bildhauers, Musikers und Performance-Künstlers Thomas Putze hier in der Region. Am 12. November gibt es im ehemaligen Villinger Garnisonsviertel Welvert anlässlich der Finissage der Ausstellung mit Arbeiten Putzes in der Galerie petite eine weitere Aktion des umtriebigen Künstlers. Aber bis dahin heißt es noch „Willkommen in Thomas Putzes Zoo“. Denn so könnte die bisher zweite Ausstellung in der Villinger Galerie betitelt sein. Tatsächlich finden sich in dem Holzfiguren-Kabinett viele Vertreter aus dem Tierreich und mit dem Menschendarstellungen die Krönung der Schöpfung. Warum aber nun Schwein, Ratte, Katze, Hund, Vogel, Bär, Affe und Co.? Putze sagt dazu: „Das kommt wohl so aus einem allgemein menschlichen Interesse an Tieren.“ Der Künstler hat damit die Möglichkeit, an den Tieren auch menschliche Eigenschaften zu zeigen. Der Affe verkörpert für Putze Gelassenheit und der Bär Kraft. Die Kunsthistorikerin Corinna Steimel formuliert es so: „Die Tiere stehen bei Thomas Putze in der Funktion, vergleichbar mit den aus der Literatur bekannten Fabeln, als Abbild des Menschen zu dienen. Sie stellen menschliches Verhalten oder mit dem Menschlichen einhergehende Situationen nach.“ So werden aus der Tierwelt auf  indirekte Weise Geschichten erzählt, die auf einer höheren, sinnbildlichen  Ebene den Menschen den berühmten Spiegel vorhalten. Mal kommen die Tiere, insbesondere die Affen, dem Menschen nicht ganz unähnlich daher, mal hängen sie in Gitterquadraten, die man in ihrer klassisch- minimalistischen Form.als eine Reminiszenz auf die Kunst der Moderne begreifen könnte. Es geht drunter und drüber in Putzes tierischem Kosmos. Ein überaus gelungene Skulptur, bei der man auch den hintersinnigen Humor des Bildhauers entdecken kann, ist die Arbeit „Jägerstand“, in der die normativen Verhältnisse umgekehrt werden. Anstelle des Jägers genießt ein Wildschwein den Ausblick vom Hochsitz. Und schließlich erscheint natürlich auch der Mensch in seinen vielen und zuweilen unmöglichen Facetten des Daseins. In seinen Werken tritt Putze nie als ein Moralprediger auf. Daher bleibt der Betrachter offen für seine Sichtweise. Seinen Hang zu humoristischen Titel wie „Gitter-Affen“,  „Wursthund“, „Idioten“, „Zerknüllaffe“, „Frauen im Geschirrspüler-Einsatzkasten“ tragen ihr Übriges bei. Einen weiteren Schwerpunkt in der Ausstellung bilden. Putzes „Skizzenfiguren“. Der Künstler verhilft den gesammelten Krims Krams-Dingen wie Türstopper, Armreife, Fensterklinke, Turnschuhe, Kofferhenkel, Schläuche in Verbindung mit seinen handwerklich geschickten Ausarbeitungen der Holzskulpturen zum Aufstieg in den Bereich der „hohen“ Kunst. Steimel: „Was andere in unserer Wegwerfgesellschaft schon längst aufgegeben und in den Müll geworfen hätten, genau dem trotzt Putze nicht selten noch einen ästhetischen Wert ab.“ Allen Figuren wohnt etwas Comichaftes inne, und tatsächlich kann man in ihnen häufig eine Persiflage auf unser heutiges Leben erkennen. Ein Fahrradhandschuh wird zum Minikleid und aus Plastiktüten und kaputte Plastikflaschen werden Brautkleider. Aber auch ohne Accessoires aus der banalen Dingwelt stellt Putze die geordneten Regeln auf den Kopf wie bei seiner Anordnung von über dem Betrachter thronenden Holzköpfen, wenn man so will einer skurrilen Walhalla für Antihelden.

Stefan Simon, 2010