Text Peter Vogel


Wann ist der Mensch ganz Mensch? Im Spiel, stellte bereits Schiller fest. Und das ist auch das Thema, das den Betrachter bei den Objekten und Installationen des Freiburger Künstlers Peter Vogel im wahrsten Sinne des Wortes bewegt. Beispielhaft für diese spielerische Kunstannäherung sind die Klanginstallationen mit dem Titel "Schattenorchester". Die Elemente der Installationen geben Töne von sich und bewegen sich, aber immer unter der Prämisse, der Betrachter bringt sich als ergänzende wie zwingende Hälfte der bereitgestellten Komposition und Skulptur mit ein. In dem interaktiven Zusammenspiel von Mensch und Kunstwerk entsteht eine Mischung von aleatorischen und determinierten Ton- und Rhythmusfolgen. Bewegung regt das System an, das System wiederum reagiert und regt die Aktivität des Betrachters, der somit zum Akteur wird, erneut an. Hier wird der künstlerische Anspruch des Künstlers deutlich: die Qualität und den Wert eines Kunstwerkes prägen sowohl der Künstler als auch der Rezipient. Auge, Ohr und Körper sind gleichermaßen einbezogen. Beim Schattenorchester kommt neben der skulpturalen Form als visuelle Komponente noch der stark vergrößerte Schattenwurf der einzelnen Instrumente hinzu. An einem vorgelagerten Steuerpult, das 14 Fotozellen und die Elektronik beinhaltet, kann der Betrachter als Dirigent agieren. Durch die Schatten seiner Hände kann er jedes der 13 Instrumente einzeln oder in Gruppen zum Klingen bringen. Durch weitere Handbewegungen werden rhythmische und klangliche Variationen erreicht. Das zum Aufbau der Instrumente verwendete Material ist durchaus klassisch: Holz, Metall, Plastik, Draht, Blech, Trommelfell, Leder und Basssaiten. Der Klang der Harfe, des Tambourins oder des Saitenstabs entsteht ebenfalls auf konventionelle Weise durch rotierende Lederstreifen, Besen, Schlegel und Klöppel. Jedes der mechanischen Instrumente wird zum einen elektronisch gesteuert und klingt zum anderen elektronisch erzeugt. In der akustischen Verfremdung der mechanischen Instrumente sieht der Künstler zudem eine Persiflage auf aktuelle Musikerzeugung, bei der jegliche Töne täuschend echt elektronisch generiert werden können. Die Interaktion beim Schattenorchester ist ein Bewegungsspiel und gleichzeitig ein Spiel mit Klang- und Bildfiguren, mit Mechanismen, mit Abläufen, mit Rhythmen. Die interaktive Klanginstallation ist in diesem Sinne eine variable Partitur und bietet ein offenes Potential für Improvisation. Es handelt sich also um eine Prozessästhetik, in der sich Kunst mit dem Phänomen Zeit verwebt. Hörbarmachung von Zeit und die Sensibilisierung für flüchtige akustische wie optische Reize gehört zu den Grundanliegen dieser Kunstform, die sich im Grenzbereich von Bildender Kunst und Musik bewegt, bei der Kunst "passiert", indem sie entsteht und vergeht.

Stefan Simon, 2006