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Strenge Arbeiten, strenger Raum, strenge symmetrische Hängung und Stellung der Exponate: Der Ausstellungsraum in der Sparkasse Furtwangen scheint wie geschaffen für den Lokalmatador Hubert Rieber. In der schlichten Ausstellungsarchitektur kommen die neuesten Arbeiten des Furtwanger Bildhauers bestens zur Geltung. Schon vor dem Gebäude weisen zwei Metallskulpturen den Weg, in der Schalterhalle und im Treppenhaus stehen einzelne Arbeiten an exponierten Stellen. Doch wo in anderen Geldinstituten nun schon Schluss mit dem Kunstgenuss wäre, fängt es bei den kunstsinnigen Bankern im Bregtal erst richtig an. Ein Besprechungsraum wurde kurzerhand in eine noble Ausstellungsstätte umgewandelt. Ohne Ablenkung durch äußere Reize bietet der Raum Kunstauseinandersetzung pur. Er lädt zur Meditation, zur Kontemplation ein. Was diese innere Einkehr bringen mag, hängt vom jeweiligen Betrachter ab. Man kann beispielsweise fasziniert von der handwerklichen Qualität, von der ausgereiften Technik sein. Denn gerade diese handwerkliche Solidität ist ein Markenzeichen der Rieberschen Kunst, sie ist das Fundament für die formale Einzigartigkeit der Werke. Hubert Rieber, der vor seinem Bildhauerstudium im väterlichen Holzbildhauerbetrieb lernte, wusste durch seine Ausbildung schon früh über die Probleme der Holzbearbeitung Bescheid. Um Schwund und Rissbildung vorzubeugen, nimmt er Holzbohlen und leimt sie zu großen Rohlingen zusammen, aus denen die Formen herausgearbeitet werden. Die typische Oberflächenglätte, ein weiteres Markenzeichen, entsteht durch abschließendes Schleifen und Polieren. Diese glatten Flächen halten den Betrachter aufgrund ihrer Strenge einerseits auf Distanz, andererseits entwickeln sie eine haptische Qualität und fordern zum Berühren des Holzes heraus. Eine Handlung, die bei den akkurat bleiummantelten Arbeiten, fast unumgänglich ist. Man kann aber auch fasziniert von dem strengen Formenkanon und dem damit erzielten Ausdruck sein. Rieber hat sich bei den ausgestellten Köpfen, Kopfstelen und Kopfnadeln in Holz, Metall und Grafitzeichnung zwar weitestgehend vom Naturvorbild entfernt, der frühere Realismus ist einer sehr nüchternen, reduzierten und prägnanten Formensprache gewichen, aber durch die Beschränkung auf das Wesentliche wird das behandelte Thema umso intensiver deutlich. Riebers Interesse gilt bei allem scheinbaren Verschwinden des Menschlichen wie ehedem dem Menschen. „Von der Beschäftigung mit dessen Bild ist sein gesamtes Schaffen geprägt, wobei dieses Bild kaum als Abbild, umso mehr aber als Selbstbild im Sinne des Versuchs einer Selbstverständigung zu verstehen ist“, schreibt dazu der Ausstellungsmacher Urs-Beat Frei. Hierin sei Riebers Werk durchaus selbst- und gesellschaftskritisch. Rieber reduziert den Menschen auf seinen Kopf. Daraus entwickelt er verschiedene Grundformen, die zur Maske und zum Helm mutieren oder sich gar zum Januskopf verdoppeln können. Der Kopf wandert zusehends in die Höhe und orientiert sich als Kopfstele und Kopfnadel am menschlichem Maß. Riebers aktuelle Skulpturen rücken noch mehr als seine frühen figurativen in die Nähe von Denkmälern: sie Erinnern ohne Umwege an den Menschen, sein Verschwinden und letztlich an seine Endlichkeit.
Stefan Simon, 2001
Blei ist so weich wie zäh, so kritisch in seinen Bestandteilen wie segensreich als Strahlenschutz. Das Material stellt in seiner Ambivalenz Schutz und Gefahr zugleich dar. Bleischwer, so die Sinnbilder, sind einem die Füße, die Augenlider, bleiern ist der Himmel, der Schlaf, die Zeit. Blei ist ein Material, dass eine so wesentliche kulturgeschichtliche Bedeutung hat, dass man es nicht nur objektbezogen betrachten darf. Neben den magischen Wirkungen, die ihm die Alchemisten zuschrieben, gibt es auch naturwissenschaftliche Eigenschaften des Schutzes und der Konservierung. Hubert Rieber ist sich der Symbolik, der mythologischen Bedeutung des Materials durchaus bewusst, für den Bildhauer ist das Blei aber zuerst einmal ein Werkstoff, der sich gut verarbeiten lässt und dessen Materialästhetik zunehmend seine Arbeiten bestimmt. Dieser metallene Stoff wird von ihm besonders geschätzt, da er es ermöglicht, alle Arbeitsprozesse selbst auszuführen, zu erfühlen und durchleben zu können, ja selbst ein Teil des Prozesses zu sein. Mit strengem Formbewusstsein und profundem Sinn für handwerkliche Realisierung konstruiert Rieber Metamorphosen der menschlichen Gestalt. Die Figur, der Kopf, als Solitäre oder paarweise auftretend sind die zentralen Motive des Dialogs zwischen geometrischer Form und organischer Figur. Hubert Rieber steht mit seinen Arbeiten in der Tradition der Kunstakademie Karlsruhe, in der seit den 1960er Jahren die „Neue Figuration“ einen wesentlichen Impuls in die Kunstlandschaft der BRD setzte. Figur ist somit nicht nur eine inhaltliche sondern auch ein formale Angelegenheit. Der Betrachter wird aber auch bei einem hohen Abstraktionsgrad der Exponate über Maße und Proportionen immer wieder an den Menschen erinnert. Dabei ist gerade die Größe der Figuren ein Mittel, um den Betrachter auf Distanz zu halten. Die Skulpturen haben immer ihre eigene Lebensgröße. Sie sind entweder kleiner oder größer als ihre Vorbilder. Wodurch sie zuerst einmal uneinnehmbar werden. Die Stelen erscheinen in diesem Kosmos als schlanke, hoch aufgerichtete Formen. Lediglich mit einer vagen Ausprägung eines Kopfes werden sie zu Menschenabbildungen. Die flachen Figuren in den Reliefs überzeugen durch die Eleganz der Linienführung, die Gliedmaße sind durch klare Konturen nur angedeutet. Die Köpfe repräsentieren schließlich als pars pro toto den ganzen Menschen. Gerade durch die Beschränkung auf das Wesentliche wird das behandelte Thema, die Beschäftigung mit der menschlichen Existenz, trotz der Negierung einer narrativen Komponente umso intensiver deutlich. Riebers Geschöpfe rücken in die Nähe von Denkmälern. In ihrer vermeintlichen Attributlosigkeit und ihrer Anonymität führt der Bildhauer sie zu einer entzeitlichten Ruhestellung und erweist somit jedem einzelnen Betrachter als Individuum seine Anerkennung, verbunden mit der Aufforderung zum Denken und zur Reflektion über sich und die Welt. Holz und nun also Blei bieten dabei Impulse, die weitere innovative Ausdrucksmöglichkeiten und Erlebniswelten eröffnen. Dabei nutzt der Künstler die Eigenschaften des Materials, das Spuren der Zeit aufweist und jeden Fingernagelritzer für beinah ewig fixiert. Wurden die Bleiplatten anfangs nur fragmentarisch als Maske oder als Basis seiner Kopfnadeln im Wechselspiel zum polierten Holz eingesetzt, so vertraut er mehr und mehr der Wirkungskraft des Metalls. Die dem Holzkern nahtlos angepassten Bleibeschläge haben ein Eigenleben, entwickeln im Laufe der Zeit ein subtiles facettenreiches Kolorit und wirken deshalb als Material und Farbe zugleich. Es geht um die Suche nach Farben und Formen zwischen Vergänglichkeit und Ewigkeit, Schwere und Leichtigkeit, ersten und letzten Dingen. Blei um Holz - Innen und Außen. Auch die Patina des alten Materials mutet diese Dimension des Vergänglichen, Wandelbaren und zugleich Bleibenden an. Rein wahrnehmungstechnisch ist das Verhüllte wesentlich reizvoller als das total Sichtbare. Denn es bietet Spielraum für die Fantasie. Rieber eröffnet durch seinen eigenen bildhauerischen Weg der Verwandlung und Synthese dem Betrachter diesen Zugang zu einer vorerst hermetisch abgeschirmten Welt, zum Dialog mit faszinierenden Skulpturen, die dank ihrer bleiernen Schutzschichten stets ein Restgeheimnis bewahren.
Stefan Simon, Katalog Bleiarbeiten, 2012
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