Ein altes renoviertes Fachwerkhaus auf einem ehemaligen Mühlengelände dient dem Spaichinger Bildhauer Frieder Preis als Wohn- und Arbeitsstätte. Beabsichtigt man den Künstler der Kunst willen zu besuchen, so sollte man sich viel Zeit einplanen. Denn in dem außergewöhnlichen Umfeld fällt es schwer, sich nur auf das Wesentliche, auf die Skulpturen, zu konzentrieren. Die großzügige Bildhauerwerkstatt, die Kunstgießerei, aber auch das Drumherum, der Hund, die Katze, das Ensemble verschiedenster Musikinstrumente und ganz besonders die Pferde auf der dazugehörigen Koppel, lenken den Blick auf immer neue Details, vermeintlich weg von der Kunst und doch wieder hin zu ihr. Denn Kunst entsteht nie im luftleeren Raum, das vitale Kleinod am Stadtrand von Spaichingen ist somit Lebens- und Schaffenselixier des Bildhauers. Die entspannende Arbeitsatmosphäre findet ihre Entsprechung in den Arbeiten, die auch außerhalb des Atelierumfelds - bei Ausstellungen, bei Bildhauersymposien, in Firmengebäuden oder in den Häusern der vielen Liebhaber Preis´scher Bronzen - ihre ungewöhnlich starke Wirkung entfalten. Ein werkimmanentes Thema ist die Darstellung von Tieren und Mischwesen, Kreaturen mit Tierköpfen und menschlichen Eigenschaften wie etwa die Arbeit „Das fromme Pferd“. Menschliche Verhaltensweisen auf Tiere zu übertragen, die Grenzlinie zwischen Tier und Mensch aufzuheben, ist für den Künstler durchaus nicht ungewöhnlich. Das Studium der buddhistischen Philosophie, sein Aufenthalt in Ladakh, sind für diese geistige Haltung prägend. Der bronzene „Vogelmensch“ sei für ihn die thematische Umsetzung von Inkarnation, erklärt der Bildhauer. Der „Hund“ habe den Symbolgehalt der „Säugenden Wölfin“ und könne als Fruchtbarkeitssymbol und Urmutter gesehen werden. Auch wenn der Mensch gelegentlich ohne Tiermerkmale abgebildet wird, Symbolhaftes ist immer zu erkennen. Bei der überlebensgroßen Skulptur „Der Atem“ wurde auf die vollständige Ausarbeitung des Gesichts verzichtet. Allein der riesige Mund saugt die Welt förmlich in sich auf. Die Expedition nach Innen wird in der Arbeit „Reise nach X-Lan“, einem personifiziertem Wanderstab auf Rädern, angetreten. Mit einem weiteren Themenkreis, den teils provokanten Torsi, wie der Bronze „Hockende“, bewegt sich der Spaichinger Bildhauer ganz in der akademisch-klassischen Tradition. So exotisch und vielfältig die Themen und Inhalte des Werkes von Frieder Preis sind, so bodenständig und perfekt sind die Arbeiten hergestellt. Dabei kann der Künstler auf ein solides Fundament bauen. Nach einer Holzbildhauerlehre in Garmisch-Partenkirchen, studierte der gebürtige Spaichinger von 1980 bis 1986 an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart bei den Professoren Baumann und Hrdlicka, von dem er wichtige Impulse erhielt. Frieder Preis nutzte die Studienjahre nicht nur zur geistigen Entfaltung, er lernte auch die aufwändige Kunst des Bronzegusses, ein Handwerk, das er in seiner eigenen Gusswerkstatt perfekt praktiziert. Preis ist somit einer der wenigen Bildhauer, die in der Lage sind, ihre Bronzeskulpturen vom Modell bis hin zum ausstellungsfertigen Exemplar eigenhändig herzustellen.
Stefan Simon, 2006
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